SPRINGE. Erst sechs Tage vor seiner Wahl entschied er sich zur Kandidatur – jetzt ist Brian Baatzsch mit 23 Jahren Chef von gut 230 Springer SPD-Mitgliedern. Im NDZ-Interview spricht er jetzt über seine Wahl, den Zustand der Partei, seine Ideen für Springe – und die Wahlen im Jahr 2021.

Ihre Wahl hat viele überrascht – offenbar auch Ihren Vorgänger Eberhard Brezski, der eigentlich noch mal antreten wollte. Warum wollten Sie ihn ablösen?

Eberhard Brezski hat schon öfter gesagt, er würde es noch zwei Jahre machen – aber dass er auch gerne einen Nachfolger finden würde. Dass neue Ideen reinkommen müssen. Bei den Jusos waren wir immer sehr aktiv, wollten viel machen. Da war es schade, dass in den letzten Jahren viele Parteistrukturen eingeschlafen sind. Dass ich kandidiere, hat sich dann Stück für Stück entwickelt.

Wann wussten Sie: Ich versuche das?

Knapp eine Woche vorher. Den Samstag vor der Versammlung hatten wir SPD-Unterbezirksparteitag in Hannover. Da habe ich mit Genossen gesprochen; am Montag nochmal mit Vertrauten. Das war alles sehr kurzfristig – das ist ja glaube ich auch deutlich geworden. Das ist natürlich unangenehm. Dienstag habe ich ihn dann um ein Gespräch gebeten; das haben wir am Mittwoch geführt.

Also zwei Tage vorher.

Genau. Ich hatte damit gerechnet, dass es recht kompliziert wird. Ich wollte bei ihm argumentieren, dass es in den Abteilungen hieß, dass sich was ändern muss. Dass ich viel bewegt habe, die Wahlkämpfe organisiert, uns im Unterbezirk vertreten, dass ich bekannt und recht gut vernetzt bin. Aber er hat dann einfach gesagt, er gibt das Amt ab, das passt ihm.

Sie haben kein schlechtes Gewissen gegenüber Herrn Brezski– nach dem Motto: Ich habe ihm etwas weggenommen?

Nein, ich würde unser Verhältnis als gut bezeichnen. Wir wollen uns noch mal zu einem längeren Gespräch zusammensetzen, uns aussprechen.

Was muss sich in der Springer SPD ändern?

Die Abteilungen in den Orten müssen wieder mehr miteinander sprechen. Es gibt zwar zwei bis drei Mitgliederversammlungen im Jahr, bei denen man sich verknüpft. Aber das finde ich eigentlich etwas wenig. Selbst wenn sich Abteilungsvorsitzende untereinander austauschen, wird die Basis nicht mitgenommen. Und ohne Kontakte schläft alles immer weiter ein. Als wir jetzt unser Europafest hatten, habe ich gemerkt, was gemeinsam möglich ist. Und: Wir müssen erkennbarer werden.

Ist die SPD denn unsichtbar?

Wir haben zwei Akteure – einen Parteivorsitzenden und einen Fraktionsvorsitzenden, die verkörpern durch ihre Funktion die Partei automatisch. Das ist ja auch sinnvoll. Aber die Partei selbst ist so in den Hintergrund gerückt. Die Basis bekommt von manchen Entscheidungen gar nichts mit. Ich möchte es schaffen, sie mehr einzubinden.

Haben Sie sich als SPD – zumindest im Rat – zu sehr an die CDU gehängt mit der gemeinsamen Zielvereinbarung, mit gemeinsamen Anträgen?

Vielleicht hat sich die CDU auch an uns gehängt...

Die CDU ist die größere Fraktion.

Ja, um zwei Sitze. Der Hintergrund war ja, dass es schwierig war, Mehrheiten zu finden. Und jetzt arbeitet man zusammen daran, Springe voranzubringen. Das ist erst mal gut – aber man muss auch die Kommunalwahlen 2021 im Hinterkopf haben. Wir sind sehr nah aneinandergerückt. Und müssen als SPD wieder ein eigenes Profil entwickeln, uns abgrenzen. Wen wollen wir ansprechen? Ich glaube, das sind vor allem junge Eltern mit Kindern, Bürger zwischen 25 und 45, die unser Klientel sind. Da brauchen wir Leute, die entsprechende Inhalte verkörpern.

Bei solchen Bemühungen ist die Bundespartei nicht immer hilfreich. Ärgert sie das?

Klar ärgere ich mich da auch manchmal – so Sprüche wie „Bätschi“ von Andrea Nahles haben uns mehr geschadet als genützt. Bei Kevin Kühnert finde ich es gut, wenn ein junger Mensch neue Ideen mitbringt. Und es ist gut, dass er das so thematisiert – weil ich es nicht gerecht finde, wenn jemand, der einen Großteil der Aktien von BMW besitzt, auf die Milliarden nur 25 Prozent Steuern zahlt. Und mein Vater auf seinen geringen Angestelltenlohn einen weitaus höheren Steuersatz. Und der arbeitet dafür und hat das Geld nicht sicher. Die Gerechtigkeitsdebatte ist ein Thema für uns.

Wir haben über die SPD gesprochen. Reden wir mal über Springe selbst – was kann man hier verbessern?

Ich lebe sehr gerne hier und streite gerne für Springes Interessen.

Auf einer Skala von eins bis zehn, wo sehen Sie Springe?

Bei sieben.

Also ist noch Luft nach oben?

Klar, es ist immer Luft nach oben. Sonst müsste man sich ja auch nicht politisch engagieren, wenn alles perfekt wäre. Ich habe auch eine Weile in Hannover gelebt, im Studentenwohnheim. Aber das war unangenehm, zu laut. Klar war es schön, in drei Minuten im Hörsaal zu sein. Aber das ist nicht die Art und Weise, wie ich leben möchte. In Springe kann ich auch mal in den Rathauspark gehen, in Lüdersen in die Feldmark.

Aber die Landschaft können Sie ja nicht schöner machen. Also, was sonst?

Wir können schon Angebote machen, die Umgebung besser zu nutzen, zu öffnen. ÖPNV ist für mich wichtig. Mich stört, wie das mit der Streichung von Buslinien gelaufen ist, vor allem als Lüderser. Aber dazu gehören für mich auch Mitfahrbänke wie es sie in Hemmingen gibt. Ein sehr guter Ansatz.

Ich habe aber auch das Thema Jugendbeteiligung auf dem Schirm, ein Jugendparlament. Wir probieren das, aber ich denke, man muss noch mehr auf die Jugendlichen zugehen. So lange, bis man eine Rückmeldung bekommt.

Was fällt Ihnen noch ein?

Ich denke, wir müssen auch über Straßenausbaubeiträge sprechen. Da wird die Diskussion nicht richtig geführt. Herr Springfeld will die Grundsteuer erhöhen. CDU und SPD wollten die wiederkehrenden Beiträge. Und manche Bürger wollen am liebsten gar nichts zahlen. Aber es fehlt der Konsens, und der gehört zur Demokratie dazu. Wo ist der Ort, an dem wir uns treffen, um zu sagen: Wir reden vernünftig darüber? Ich glaube, viele Bürger wissen nicht, dass sie die Möglichkeit haben, mitzureden. Demokratie muss man lernen – eigentlich sollten Schüler schon in der 8. oder 9. Klasse den Rat besuchen, um das mal kennenzulernen.

Sie haben den Vorteil, dass Sie als junger Politiker sagen können: Da hatte ich nichts mit zu tun; ich war das nicht. Zum Beispiel beim Krankenhaus. Andererseits kann man Sie über ihr Alter auch angreifen.

Ich sage immer: Solange man jung ist und Ideen hat, kann und sollte man was bewegen. Irgendwann ist man in eingefahrenen Prozessen drin, dann ist das schwieriger.

Und wenn man was bewegt, ist es auch ok, Fehler zu machen?

Klar. Jeder Mensch macht Fehler. Es ist nicht so, dass man die nicht berichtigen kann. Die SPD steht dafür, etwas Neues zu versuchen. Das klappt nicht immer. Beispiel Hartz IV: Da haben wir versucht, etwas zu ändern. Die CDU hätte das auch probieren können. Hat sie aber nicht. Weil die nicht über den Stock fallen wollten, über den wir gefallen sind.

Wir haben schon mal über die Kommunalwahl 2021 geredet. Reicht Ihnen da ein Sitz im Rat oder darf es mehr sein?

Für ein Bürgermeisteramt bin ich definitiv zu jung und da habe ich auch keine Lust drauf. Ich finde, ein Bürgermeister kann zu wenig gestalten. Man muss das Glück haben, im Rat eine Mehrheit hinter sich zu haben. Herr Springfeld hat es da definitiv nicht leicht. Ich könnte mir vorstellen, dass ich eine Verwaltung führen könnte, weil ich angehender Verwaltungsrechtler bin. Aber wenn ich ein politisches Amt anstrebe, möchte ich gestalten, Ideen einbringen. Und wenn es im Rat ist.

Aber Sie haben schon den Anspruch, als SPD einen eigenen Bürgermeisterkandidaten aufzustellen?

Ja. Zur Zeit haben wir keinen in Sicht. Aber wir wollen schauen, welche Möglichkeiten wir haben. Ein Christian Springfeld kann besiegt werden, auch wenn er in der Bevölkerung recht beliebt ist – wenn man ihm einen Kandidaten entgegenstellt, der Ahnung von Verwaltung hat und gut bei den Menschen ankommt. Herr Springfeld ist ein Bürgermeister zum Anfassen. Aber manchmal fehlt mir die Initiative, wenn ich ihn agieren sehe.

Bastian Reinhardt ist als Kandidat im Gespräch.

Bastian Reinhardt macht sehr gute Arbeit als Fraktionsvorsitzender. Er ist kompetent und hat sehr gute Ideen eingebracht, zum Beispiel beim Haushalt. Aber wir haben darüber noch nicht gesprochen. Der Wunsch vieler bei uns ist, erst mal ein Profil aufzustellen: Wie stellen wir uns eine Kandidatin oder einen Kandidaten vor? Und dann zu schauen, wer dazu passt. Ich gehe davon aus, dass Herr Springfeld wieder antritt. Und ich gehe davon aus, dass die CDU einen Kandidaten hat.

Macht es Sinn, sich mit der CDU über einen gemeinsamen Kandidaten zu unterhalten? Wenn Sie sich die Stimmen gegenseitig wegnehmen, könnte Herr Springfeld profitieren.

Wenn ich sage, dass wir uns als SPD ein klares Profil erarbeiten wollen, weiß ich nicht, ob wir gleichzeitig mit der CDU zusammenfinden können.